Nach Gericault
1959 54 x 41 cm
(...) Wie seine Gefährten bevorzugte er (Florian Köhler) historisch überlieferte, nicht selten religiöse Bildthemen, wiedergegeben mit den Mitteln einer zeitgenössischen Sensibilität. Das hieß: eine leidenschaftliche, doch nicht bis zur Ungegenständlichkeit vorangetriebene Abstrahierung. Von den Gesten des Informel nämlich wollte WIR sich ebenso abheben wie vom gezähmten Modernismus der Münchener Akademie. (...)
Roland Held 1990, Darmstädter Echo
Aus: Florian Köhler, Neue Ölbilder 1990 bis 1995, Galerie Gabriele von Loeper
Kampf mit Engel
1959 66 x 80 cm
Unser Weltbild, was sich am Barock orientiert, ist ein dynamisches. Wir haben darin auch eine Verwandtschaft gesehen, eine Strukturverwandtschaft, wir haben da Konzeptionen und Raumvorstellungen gefunden, die uns geeignet erscheinen, unserem Querliegen, unserem Nicht-Angepasst-Sein Ausdruck zu verleihen. Insofern sind das auch politische Bilder.
Florian Köhler in einem NDR-Interview mit Doris von Drathen, 1987
Araber wird von einem Löwen angegriffen (nach Delacroix)
1959 53 x 45 cm
(...) Wir gewannen unser Selbstverständnis aus der Reflexion über das Barock, suchten über die Kenntnisnahme, über das emotionale Beteiligtsein an Themen, die wir aus der Kunstgeschichte aufgriffen, von denen wir berührt waren (Kampf mit dem Engel, Gemarterter, Prometheus, Höllensturz) in einer vitalen Beziehung zur Tradition. Wir legten die Quellen offen, aus denen sich unsere Bilder aus der frühen WIR-Zeit speisten. Es war die Suche nach "unserer Figur", die Träger sein konnte, um unsere existentielle Befindlichkeit und den Wunsch nach Ausdruck vermittelbar machen zu können.
Heino Naujoks 1988
Aus: Heino Naujoks, Bilder 1959–1997, 1997 Edition Galerie Schwind
Gemarterter I
1961 90 x 74 cm
(...) Über die Kenntnis der barocken Ikonographie, des Farbraums des barocken Freskos, der expressiven, sich "verknäulenden" Figuren, der nicht isolierten Figuren, ihres Pathos, ihrer Gestik und Ekstatik, der Aufhebung eines eindeutig bestimmten Oben und Unten – über diese Kenntnis verstanden wir den abstrakten Expressionismus eines Pollock, de Kooning, Vedova, Gorky und konnten uns mit seiner komplexen Bildauffassung identifizieren – mit einer Bildauffassung, die eine statische Ordnung, die das Abgeschlossene, das Reine, das auf Vollendung Gerichtete, das Hierarchische nicht zuließ. Über die diskursive und die malerische Auseinandersetzung mit den Identifikationsfiguren des Barock und der Gotik und dem abstrakten Expressionismus wurde die Verstrickung der Figur immer mehr zum Thema für mich. (...)
Heino Naujoks 1988
Aus: Heino Naujoks, Bilder 1959–1997, 1997 Edition Galerie Schwind
Aurora (Talisman). Barocke Paraphrase
1959–1960
46,5 x 65 cm
(...) Rieger wies auf das Zusammenspiel von Licht, Raum und Skulptur, sprach von praktischen Fragen der Gestaltung und war ergriffen von der Bedeutung dieser Epoche. Raum – so bekam ich den Eindruck – ist für ihn sowohl konkreter Ort als auch etwas davon Losgelöstes, das auf materielle Begrenzungen nicht mehr zurückgeführt werden kann. In diesem zweifachen Sinn vermittelt Raum im Sinnlichen den Übergang zum konkret nicht mehr Faßbaren, und seine Bewegungen lassen keinen Ort zum Verweilen zu. So gingen wir von einem Blickpunkt zum anderen, und wenn wir zum Stehen kamen, wurden wir gedreht, solange wir schauten. Es wurde mir klar, daß gebauter, gemalter und in Skulpturen geformter Raum Imagination bedeutet, die wir mit dem äußeren Auge sehen können. (...)
Wolfgang Tunner – Gedanken zu Person und Werk
Aus: Helmut Rieger, Arbeiten von 1959 bis 1995, Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg 1996
Engel ein Herz zeigend
1961 109 x 80 cm
(...) Als er (Reinhold Heller) 1961 zur Gruppe WIR stößt, zeigt er sich (...) bereits als fertiger Maler. Als eine Art Naturtalent hat er sich die entsprechenden Arbeitsprinzipien bereits selbst entwickelt: "Für mich war wichtig, Farbe, Strich und den barocken Raumgedanken miteinander zu verbinden," lautet seine lapidare Erklärung. Indes, was seine Bilder – wie auch die der übrigen Gruppe – vermitteln, ist ein neues Seherlebnis. Der Himmel des barocken Deckenfreskos wird mit den Mitteln des 20. Jhs. auf die Leinwand geholt und dem Auge gegenüber gestellt. Und wie der Gläubige durch die Illusion des barocken Himmels in ein entmaterialisiertes Raumganzes mit einbezogen wird, so taucht der Betrachter jetzt in den Bildraum ein, wird Bestandteil des Strudels, der ihn rotierend zur Bildmitte zieht. Es entsteht eine magnetische Raumwirkung, die entweder als ein sich perspektivisch wölbender Farbraum erfahren wird oder aber als ein optisches Vor- und Zurückpendeln des in der Fläche gebundenen Bildzentrums. (...)
Rainer Beck
Aus: Gruppe WIR – 1959–1965 , Katalog zur Ausstellung im Kunstverein München und Salzburg
München, 1987
Verkündigung
1961 100 x 80 cm
(...) Zuerst einmal galt es, eine zeitgenössisch tragfähige Raumauffassung zu entwickeln. Daß der barocke lllusionsraum hier nicht einfach übernommen werden konnte, ist klar. Die geistige Situation des 16. und 17. Jhs. in ihrer weltanschaulichen Eindeutigkeit war eine andere als die komplexe, in vielfache, z. T. miteinander vernetzte Wertzentren zersplitterte des 20. Jhs. (...) Die Kunst des 20. Jhs. greift in solchen Fällen immer auf die Eigenwertigkeit der Mittel zurück, die ihr dann ein nicht näher spezifiziertes kosmisches Symbol sind. Sich den Mitteln im künstlerischen Handeln zu verbinden, bedeutet demnach das Streben nach kosmischer Teilhabe. (...)
Rainer Beck
Aus: FIGUR UND RAUM – Bemerkungen zu Reinhold Hellers Kunst, Katalog zur Ausstellung in der Galerie Hasieber & Roth
München, 1989
Susanna im Bade
1961 110 x 80 cm
(...) In unserem Fall werden diese Mittel durch Form und Farbe verkörpert. Farbe avanciert ganz im expressionistischen Sinne zum Raumersatz, die Perspektive wird nicht mehr durch die Zeichnung, sondern ausschließlich durch die Raumwirkung der flächig verwendeten Farbe erzeugt. Das kunsthistorische Stichwort lautet hier: vom Perspektiv- zum Farbraum. Entsprechend wird das Volumen der Körper nicht mehr zeichnerisch dargestellt, sondern es ergibt sich aus dem Tonwert der Farbe, aus ihrer Tiefe oder Flachheit. Licht als Phänomen taucht nicht mehr isoliert auf, sondern ist in den einzelnen Farbflächen mit enthalten und ausschließlich die Konturen dieser Farbflächen markieren noch den Gegenstand, wobei aber bereits auf eine natürliche Farbgebung verzichtet wird, also die Gegenstände nicht unbedingt ihre eigentliche Farbe aufweisen müssen. (...)
Rainer Beck
Aus: FIGUR UND RAUM – Bemerkungen zu Reinhold Hellers Kunst, Katalog zur Ausstellung in der Galerie Hasieber & Roth
München, 1989
Susanna im Bade
1961 110 x 128 cm
Arbeiten wie Susanna im Bade von 1961 (...) zeigen keinen barocken Perspektivraum, auch hier findet sich der expressionistische Farbraum. Wie sich das Interesse am Barock in seinen Arbeiten niederschlägt, erweist vielleicht am Besten ein Vergleich mit sogenannten all over-Kompositionen des Abstrakten Expressionismus. Sie zeichnen sich dadurch aus, als ein zufälliger Ausschnitt aus einer endlosen Textur zu wirken. Dem setzten die genannten Werke von Reinhold Heller ein kompositorisches Zentrum entgegen, von dem alle Kraft ausgeht und die nun unter Umständen ebenfalls als über das Bild hinaus wirksam wahrgenommen werden kann. Dieses kompositorische Zentrum entspricht dem Altar in der Barockkirche oder dem zentralen Heiligen in einem Deckenfresko. (...)
Steffen Dengler
Aus: Reinhold Heller – Werke, Katalog zur Ausstellung bei DENGLER UND DENGLER
Galerie für Schöne Künste, Stuttgart, 2009
Michael mit dem Flammenschwert
1961 110 x 90 cm
(...) Hellers undurchdringbar kryptisches Geflecht aus Farben verwehrt eine erste Identifikation des Helligen. Möglicherweise hat der Maler die Gegenwart des Helligen Michael nur allegorisch gedacht? Doch die dynamische Darstellung lässt sich schließlich in einzelne Körperteile auflösen. Oberhalb der tiefsten Stelle im Gemälde lässt sich rechts ein Unterarm erkennen, der mit einem weißen Gewand bekleidet ist. Die Faust scheint den schwarzen Griff eines Schwertes mit silbern-grauer Klinge zu umschließen, dessen Flammen in kräftigem Gelb und Rot züngeln. Verfolgt man den Arm zurück und sucht den Träger des Flammenschwertes, der ikonographisch niemand anderes als Michael sein kann, findet sich eine Figur im Gemälde, die in ihrer Deutlichkeit überrascht. Bislang verborgen, liegt sie nun klar und eindeutig erkennbar vor. Der Heilige Michael ist im Profil dargestellt, sein Oberkörper scheint aus einer Wolke zu ragen. Die linke Hand deutet nach oben auf das Schwert, das er zum Schlag gegen seinen Widersacher Luzifer ausholt. Letztlich lässt sich auch der Körper Luzifers lokalisieren. Sein Kopf, der bezeichnenderweise mit dem tiefsten Punkt des Gemäldes identisch ist, blickt nach unten. (...)
Julia Isenberg
Aus: Gruppe WIR 1959–1965, Verlag Silke Schreiber 2015
Barocke Impressionen
1962 47 x 19 x 26 cm
(...) Der barocke Einsatz zur Raum- und Farbbewegung geschieht über die Diagonale, die Prinzip und Gestus für die Dynamik ist, die die Fläche aus ihrer kontemplativen Ruhe in die barocke Unruhe versetzt. Durch sie bricht sich die Fläche von innen heraus, um dem Colorismus der komplementären und simultanen Kontraste eine äußerste Raumentfaltung zu gewähren. Daß der irdische Raum begrenzt ist in seinen physischen Ausmaßen und von daher seine Wirkungsform zur Statik neigt, deshalb erfindet die barocke Dynamik seine stilprägende Diagonale. Die Räumlichkeit einer Kirche, eines Vestibüls, das Ausmaß eines Bildes bedeutet physische Grenze. Sich aus dem Zwang dieser Grenzen zu retten, erfindet der barocke Trieb die Wollust der Diagonalität. Die Diagonale ist länger als Höhe und Breite. Darum wird die barocke Form nicht auf der Achse, nicht von unten nach oben oder von links nach rechts entwickelt, sondern von schräg unten nach schräg oben. (...)
H. M. Bachmayer – Imagination und Aura
Aus: Helmut Rieger, Arbeiten von 1959 bis 1995, Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg 1996
Ikarus
1962–1963
170 cm
(...) Was das für den Bild- und Architekturraum bedeutet, welche formalen und sphärischen Möglichkeiten der malerischen lnszenierung in Bewegung gesetzt werden, die den kompositorischen und rhythmischen Nerv des Barocks treffen, das läßt sich an der Exzentrik der Gebärden und Gesten, dem Wehen der Drapperien und Gewänder, den Figuren des Flugs und den Engeln der Himmelfahrt ablesen. Bewegung als inneres Formgeschehen, Dynamik als Bildordnung, stets führt dies zu einer Dynamik des Geschehens, welche dazu geeignet ist, die Fläche aus ihrer inneren Begrenzung heraus zu überwinden, das Materielle ins Atmosphärische hineinzuziehen und das Luzide in die Körper zurückzuversetzen. (...)
Hans Matthäus Bachmayer – Imagination und Aura
Aus: Helmut Rieger, Arbeiten von 1959 bis 1995, Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg 1996