Liebespaar
1960 60 x 81 cm
(...) Es entstehen polyfokale Bildräume, deren multiple Raumwirkung nicht von mathematischen Gesetzen der Perspektive, kaum von Zeichnung als vielmehr durch die Wirkung der Farbvaleurs erzeugt wird. Persönliche Handschrift, schnelles, mitunter eruptives Arbeiten, dessen Prozess im Gemälde gegenwärtig bleibt, sind erkennbar. Die Idee und Umsetzung des „All-over", das im amerikanischen Expressionismus, allen voran von Jackson Pollock, kultiviert wurde, erscheint auch hier als grundlegendes Prinzip: keinerlei Hierarchie innerhalb der einzelnen Bildelemente zu schaffen, sondern die „Formfindungen", wie vom Epizentrum eines Strudels ausgehend, gleichwertig über die ganze Fläche zu verteilen. (...)
Martin Schulz – Zum Werk von Florian Köhler
Aus: Florian Köhler – Die ferne Insel, Sammlung Hurrle, Durbach 2013
Daniel
1962 105 x 92 cm
(...) Damit wird eine nach allen Richtungen tendierende Dynamik erzeugt, in welcher die oft nur vage angedeuteten Figuren regelrecht verschlungen und mitgerissen werden, ohne dass sich dabei Ursache und Wirkung genau bestimmen und unterscheiden ließen. Simultan wirksame, multiperspektivische und aufgesplitterte Bildräume zu schaffen und anzubieten, dies hatte zwar bereits der Kubismus vorgemacht, aber nicht in dieser auch farblich vibrierenden Vielfalt, in welche die Blicke der Betrachter eintauchen können. (...)
Martin Schulz – Zum Werk von Florian Köhler
Aus: Florian Köhler – Die ferne Insel, Sammlung Hurrle, Durbach 2013
Höllensturz (dreiteilig)
1960 115 x 178 cm
(...) Der Maler begann das Bild als gemäßigtes Hochformat (heute der mittlere Teil), merkte aber im Laufe des Malprozesses, dass es ihm zu dicht geriet. Aus diesem Grund entschied er sich für die Erweiterung durch zwei Flügel, die Raum brachten für einen fallenden, in seiner Gänze dargestellten Körper auf der rechten Seite und eine schwarz geflügelte Figur mit Lanze im linken Bereich. Trotz der jeweils szenischen Verdichtungen sind die drei Bildteile nicht von einander getrennt, sondern werden als ein zusammenhängendes Ganzes gestaltet. (...) Nicht nur der Bildtitel, sondern auch die wenigen klar erkennbaren Gestalten verweisen darauf, dass es sich bei den zunächst abstrakt erscheinenden Strukturen eindeutig um Körperteile handelt. (...)
Selima Niggl – Heino Naujoks, Höllensturz 1960
Aus: Gruppe WIR 1959–1965, Verlag Silke Schreiber 2015
Karfreitagbild
1963 83 x 94 cm
Das Charakteristische für den Antritt der Gruppe WIR 1959 war wohl die Auseinandersetzung auch mit der Tradition, mit der Kunstgeschichte, mit der Historie, in Anbindung an die zeitgenössische Malerei, um da eine Beziehung herzustellen, Parallelen zu entwickeln und eben nicht, wie heute in der Zeit der Postmoderne, die Historie einfach als Zitat zu verwenden, sondern sie in unser existentielles Bewusstsein zu integrieren.
Heino Naujoks in einem NDR-Interview mit Doris von Drathen, 1987
Raub der Töchter des Leukippos II
1962 140 x 170 cm
(...) Der illusionäre Landschaftshintergrund der Rubensschen Vorlage wird nach vorne gezogen, ihre zentralen Vordergrundfiguren hingegen trotz ihrer starken Plastizität in die Fläche zurückgedrückt. Sie sind in ein Rot übersetzt, das eigentlich nach vorne drängt, aber durch die Kreisbewegung des Bildes nach hinten gezerrt wird. Dadurch entsteht ein labiles Gleichgewicht in der Fläche, das als Pendel empfunden wird, dem menschlichen Herzschlag vergleichbar oder dem Ein- und Ausatmen.
Rainer Beck
Aus: Gruppe WIR – 1959–1965, Katalog zur Ausstellung im Kunstverein München und Salzburg
München, 1987
Die Mondlandung
1964 75 x 120 cm
(...) Die eigene Freude ob des Gesehenen, Gehörten, sei es eine barocke Schloßanlage oder eine Monteverdi-Oper, erfüllte ihn geradezu mit der Verpflichtung, auch anderen davon mitzuteilen. Deshalb sprengen seine Bilder ihre Rahmen und greifen förmlich darüber hinaus, so wie die Gestalten in barocken Deckengemälden aus der Malerei in die Skulptur hinübergehen. Der Maler blickte aber nicht nur in den illusionistischen Kirchenhimmel der Heiligen, Putti und Stifterfiguren, sondern beschäftigte sich auch mit dem Himmelsraum, den die Wissenschaft in den sechziger Jahren durch die erste Mondlandung erschloß. (...)
Martina Ripphausen
Aus: Reinhold Heller – RÜCKBLICK, Katalog zur Ausstellung in der Galerie Helmut Leger München, 1997
Meeresstille und glückliche Fahrt
1964 120 x 160 cm
(...) Im Gemälde Meeresstille und glückliche Fahrt malt Heller auf einen alten Bettbezug. Dies lässt unweigerlich an Robert Rauschenberg denken. Dessen Bed aus dem Jahr 1955 war vier Jahre später auf der documenta II in Kassel ausgestellt. Die Struktur des Bettbezugs integriert Heller als Meeresoberfläche in sein Gemälde. Damit arbeitet er am Puls der Zeit. Schließlich kann er sich, genauso wie die anderen Künstler der Gruppe WIR, dem Einfluss der Pop Art nicht mehr entziehen, wie etwa Die neue Melusine zeigt. Im Wesentlichen vollzog sich Hellers künstlerische Entwicklung zwischen den Jahren 1961 und 1965. Sein Kunstverständnis, seine Einflüsse und Anschauungen bauen auf den bewegten fünf Jahren mit der Gruppe WIR auf und legen den Grundstein für ein höchst eigenständiges künstlerisches Werk.
Julia Isenberg
Aus: Gruppe WIR 1959–1965, Verlag Silke Schreiber 2015