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Reinhold Heller

Arbeiten nach 1968

Ostersonntag
1988 150 x 170 cm

 (...) Als sich die Gruppe Geflecht 1968 aufgelöst hatte, wandte sich Reinhold Heller von der Malerei ab. Erst zwanzig Jahre später nahm er den Faden wieder auf und schuf ein musikalisch geprägtes Spätwerk. Rainer Beck, heute Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, verglich die Kompositionen dieses Spätwerkes in seinem Vorwort zum Katalog der Heller-Ausstellung in München von 1989 treffend mit den Impressionen und Improvisationen Kandinskys. Der schnelle, in dicken Strichen aufgetragene Duktus Reinhold Hellers und seine kräftige Palette sind ganz auf der Höhe der Zeit der Jungen Wilden. Aus dem zeitlichen Abstand erscheint es bemerkenswert, wie Reinhold Heller nach zwanzig Jahren an seine eigene Malerei überzeugend anknüpfen konnte, ohne dabei retrospektiv zu wirken.

Steffen Dengler

Aus: Reinhold Heller – Werke, Katalog zur Ausstellung bei DENGLER UND DENGLER

Galerie für Schöne Künste, Stuttgart  2009

Berufung (Tryptichon)
1989 162 x 280 cm

 (...) Zum Triptychon Berufung, das im Exerzitienhaus hängt, gab Reinhold Heller eine Erklärung, die auch im übertragenen Sinn für sein gesamtes malerisches Schaffen gelten kann: „Berufung begreife ich als geistig-verstandesmäßigen und seelisch-emotionalen, schließlich aber von seinem Ursprung her als unerklärbaren Vorgang – ein Weg zum Licht.“

Ruprecht Volz

Aus: Reinhold Heller  (1963–1993) Künstler, Mentor, Freund, Gedenkkatalog, eos-Verlag

Sankt Ottilien, 2014

Einbruch des Lichts 3
1989 150 x 170 cm

(...) Tatsächlich malt Heller seine Bilder mit verlängertem Pinsel auf die am Boden liegende Leinwand. Der schnelle Rhythmus seiner Körperbewegungen scheint wider im Duktus seiner Malerei, traumhaft sicher in außerordentlicher Geschwindigkeit auf die Leinwand gebracht. Am gravierendsten geändert aber hat sich Reinhold Hellers Raumdenken. Scharf unterscheidet er jetzt zwischen einem jenseitigen und diesseitigen, einem transzendenten und weltlichen Raum. Ersterer weicht durch transparente, helle Töne in die Farbperspektive, letzterer drängt nach vorne durch plastisch verdichtete, dunkle Valeurs. (...)

Rainer Beck

Aus: FIGUR UND RAUM – Bemerkungen zu Reinhold Hellers Kunst, Katalog zur Ausstellung in der Galerie Hasieber & Roth, München 1989

Botanischer Garten
1990 60 x 80 cm

 (...) In den späteren Jahren verwendet Heller bevorzugt die Gouache und Aquarelltechnik, in der mit deckenden, im Trocknungsprozess sich aufhellenden Wasserfarben auf getöntem Malgrund Pastell ähnliche Wirkungen erzielt werden. Für einen Maler ist diese Technik mit der raschen Pinselführung und der Verwendung des kleinen Formats von besonderem Reiz. Hier wird die musikalische Begabung des Malers Heller besonders greifbar, die in den freien Rhythmen der Formen und der fantasievollen Setzung der Farbakkorde zutage tritt .

Ruprecht Volz

Aus: Reinhold Heller  (1963–1993) Künstler, Mentor, Freund, Gedenkkatalog, eos-Verlag

Sankt Ottilien, 2014

Landschaft am Fluss
1991 80 x 60

MENTOR – Wir Schüler und die Gruppe WIR

Wir waren weitgehend gewohnt, Gesehenes erkennbar wiederzugeben. Wie zeige ich aber Geschwindigkeit? Breite, schnell quer gezogene Pinselstriche, darauf Rennwagen, aus Papier ausgerissen, mit den Wagen unscharfe Konturen auf das Blatt gesetzt. In futuristischen Schilderungen führte uns Reinhold Heller in eine fantastische Welt der Erfindungen und des technisch Machbaren in ferner Zukunft. So entstanden komplizierte Gebilde, die inter- und multifunktional arbeiten und im Nachhinein an Tinguely erinnern. Formal gesehen waren es Geflechte von Linien mit dazwischen großen plastischen und auch flächigen Gebilden. Eine andere Klasse ging das gleiche Thema nur mit Farben an – eine visuelle Lösung der Welt als vernetztes Problem. Noch weiter gingen Ende der 60er-Jahre konstruktivistische Zeichnungen von Visionen total verplanter Städte der Zukunft im 21. Jahrhundert wieder mit sich überschneidenden breiten Bändern als Autobahnen und strukturierten Flächen und Körpern. Der schwarze Hintergrund und die Exaktheit machen das Ganze fast bedrohlich und zugleich ästhetisch „edel“. Eine weitere Steigerung brachte eine Assemblage von Hochhäusern, gegen die Boxer ankämpfen oder eine Collage aus den 70er-Jahren mit Flugzeugen, die in die Twin-Towers fliegen.

Faszinierend für mich der Ansatz vom Barock. Das raue Packpapier gab farbgleich der rohen Leinwand den Malgrund. Durch Unschärfen im projizierten Dia entstanden dunklere Stellen, die wir mit Rot-Braun vertieften. Durch Weißhöhungen traten, wie von einem Scheinwerfer gestreift, in rhythmischen Reihungen Körperteile wie Arme und Beine hervor, die z. T. im Dunkeln oder hinter hellen Wolkenfetzen wieder verschwanden. Schwarze Konturen setzten Akzente und verstärkten Kontraste. So wurde der Höllensturz erlebt. Schnell musste gemalt werden mit Emotion und Überzeugung, nicht von sentimentalen Überlegungen gebremst. In dem Schülerbild „Auferstehung“ wurde nochmals klar, wie im dunklen Formengewirr das ferne Weiß und das Weiß der nahen Figuren sich räumlich aufheben. So wird der lllusionsraum einer Dießener Klosterkirche verständlich: Das Weiß der Kirchenväter am Hochaltar und das Weiß der Apostel an den Seitenaltären mit dem Goldglanz der Altaraufbauten weit hinten und seitlich ganz nahe, heben sich gegenseitig auf: Weiß und Gold haben nahe und fern gleiche Intensität. Auch im Deckengemälde verschwimmen die Grenzen von realen, plastisch modellierten, hervortretenden Körperteilen und der gemalten Illusion. Das Konkrete wird illusionistisch und das Gemalte will sich als unsere Wirklichkeit zeigen. Kommt noch aufsteigender Weihrauch bei einstrahlender Sonne mit dem liturgischen Begehen zusammen, wird das Abstraktum der Raumillusion Realität, berühren sich Diesseits und Jenseits. Der Gläubige wird hineingenommen in das Gesamte, er und sein Empfinden werden wichtig, alles andere, Heiligenfiguren und Putti relativieren sich. In einer weiteren Stufe der Abstraktion eines Barockbildes in Farbe ist das Figurenprogramm schemenhaft ablesbar, doch die Farben Blau und Rot von Gewändern und das helle Gelb aus den Höhungen verselbständigen sich. (...)

Franz Hämmerle

Aus: Reinhold Heller  (1963–1993) Künstler, Mentor, Freund, Gedenkkatalog, eos-Verlag

Sankt Ottilien, 2014